Erinnerung

Ich streiche mit der Hand in das Wasser, langsam, um die rot-weiß gefleckten Fische nicht zu verschrecken. Sie scheinen zu hoffen, dass ich sie füttere und fürchten sich nicht.

„Was machst du da?“

„Ich erinnere mich.“

„An was?“

„An nichts bestimmtes. Ich erinnere mich, wie es ist, sich zu erinnern.“

Ein besonders großer und schöner Koi zieht langsam, dicht unter der Oberfläche einen vollkommenen Kreisbogen. Er ist prachtvoll, fast vollständig rotorange bis auf einen weißen Halbmond, der ihm auf der Stirn sitzt. Kleinere Kois, Goldfische und schlanke schwarze Fischlein, deren Name mir nicht einfallen will, weichen ihm aus. Der Große hat meine Hand erreicht. Seine Schuppen streichen an meinen Fingerkuppen entlang.

Alle anderen Fische sind verschwunden. Der Große schwimmt um meine Finger und an meiner Handfläche entlang. Es ist ein festes, bestimmtes und doch auch merkwürdig schwindendes Gefühl – ich versuche der Berührung nachzuspüren, aber es ist, als hätte das Wasser sich nur für einen winzigen Moment die Form dieses Fisches gegeben und würde in genau dem Augenblick, wo es als Fisch meine tastenden Fingerspitzen verläßt, wieder zu weichem, fließendem und ununterschiedenem Wasser werden, zu Wasser im Wasser.

Sie streicht meinen Rücken entlang wie ich dem Fisch den Rücken entlangstreiche und geht zurück ins Haus. Ich höre sie noch sagen:

„Der Fisch wird enttäuscht sein, wenn du ihn nicht auch fütterst. Dann wird er nicht mehr kommen, wenn du nach ihm siehst.“

Ihr Stimme verklingt. Langsam drehte der Fisch ein letztes Mal bei, stößt die Hand zur Seite, ungeduldig und dann doch duldsam. So wie ich die Finger aus dem Wasser hebe, langsam, taucht der Große wie ein fallendes Blatt in das tiefe grünschwarze Wasser. Ich sehe zu, wie er kleiner wird, wie das tönende Rotgold verblasst und immer grauer wird. Ich kann ihn bald schon nicht mehr sehen. Das Wasser liegt still da, still und unbewegt. Ich vermisse sie so sehr. So sehr.